Recherche-Journalismus & Photographie

 

Werkstatt Recherche mit Journalistik-StudentInnen

We(h)rbung

 

Eigentlich sollten sich die deutschen Medien nicht kaufen lassen. Womöglich geschieht es aber doch. Eine Untersuchung über die guten Beziehungen des Verteidigungsministeriums. 

 

Von Lucas Blasius  (September 2014)

 

„Ich kann es nicht beweisen, aber man hat schon den Eindruck, dass viele Medien mit Werbemaßnahmen der Regierung gekauft sind.“ Je schärfer Inge Höger die Politik und die Medien kritisiert, umso tiefer und langsamer spricht sie. Diesen Satz schien sie eine halbe Ewigkeit vor sich hin zu brummen. Höger gehört der Partei „Die Linken“ an und ist dort abrüstungspolitische Sprecherin. Als solche hat sie besonders die Bundeswehr und das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) im Blick. Vor allem, seit Ursula von der Leyen (CDU) im Dezember 2013 Ministerin der Verteidigung wurde. Höger bezeichnet sie als „PR-Profi“ und stellt fest: „Es wird nicht informiert, sondern mit falschen Bildern geworben.“

 Die gesetzliche Richtlinie zu Werbung von Ministerien und Ministern ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 2.3.1977. In dieser wird festgehalten, dass „Regierung und gesetzgebende Körperschaften der Öffentlichkeit ihre Politik, ihre Maßnahmen und Vorhaben sowie die künftig zu lösenden Fragen darlegen und erläutern“ müssen. Eingeschränkt wird jedoch, dass „der informative Gehalt“ eindeutig nicht hinter eine „reklamehafte Aufmachung“ zurücktreten dürfe. („Leitsätze des Gerichts, III.“ und „Leitsätze des Gerichts, IV., 2. b.) 

Das BMVg und die Bundeswehr wissen das; schließlich schreiben sie mit leicht wechselndem Wortlaut unter jede Haushaltstabelle zu Ausgaben in der Öffentlichkeitsarbeit einen Hinweis auf oben genanntes Urteil des BVerfGs: „Die Informationsarbeit der Bundeswehr ist eine vom Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung auferlegte Pflicht. […] Die Bundeswehr muss, darf und wird auch zukünftig für sich werben bzw. über sich informieren.“ Auffällig ist hierbei das Verb „werben“. Detlef Schachel, Leiter der Redaktion „Medien und Dialog“ der Bundeswehr, will das so erklären: „Wir machen keine PR, keine Augenwischerei. […] Unsere Aufgaben sind die Öffentlichkeitsarbeit, daneben steht die Karriereberatung.“ Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchswerbung – bzw. Karriereberatung, wie Schachel betont – seien dabei „zwei strikt getrennte Bereiche“. Auf weitere Nachfrage sagt er wie selbstverständlich, es gäbe „eine Abstimmung“ zwischen beiden Stellen. 

Im Bundeshaushalt sind beide getrennt aufgeführt: 30 Millionen Euro für „Nachwuchswerbung“ in 2014, gleich viel für die Öffentlichkeitsarbeit. Genauer ausgeführt werden die Zahlen hier nicht.

Eine weitere Suche nach der Haushaltsnummer der Öffentlichkeitsarbeit (1403 – 538 01) führt jedoch zu mehreren kleinen Anfragen im Bundestag. 2011 hat Thomas Kossendey, damals Parlamentarischer Staatssekretär und mittlerweile im Ruhestand, auf Fragen von Fritz Rudolf Körper (SPD) und Omid Nouripour (Bündnis 90 / die Grünen) antworten müssen. Die Aussage: Eine „externe Werbeagentur“ habe 2011 für die Bundeswehr „Fernseh- und Radiospots“ sowie Personalwerbung für „Print- und Onlinemedien“ erstellt. Gekostet habe das 4,8 Millionen Euro. Die Werbung erschien unter anderem in der Bildzeitung, womit laut Kossendey „maximal 23 Millionen Menschen“ erreicht worden seien. (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/051/1705121.pdf, Drucksache 17/5121). Die Frage nach der grundsätzlichen Legitimität der Werbung kam nicht auf.

Aktuellere Anfragen kommen von mehreren Linken-Politikern. Am 14.5. und 24.7. 2014 haben sie jeweils Fragen zu Werbemaßnahmen der Bundeswehr gestellt; an beiden war auch Inge Höger, die abrüstungspolitische Sprecherin der Linken, beteiligt. Auf Nachfrage äußerte sie die Vermutung, dass an Geld für Werbung „sowieso noch ganz viel versteckt“ werde und nennt als Beispiele den Tag der offenen Tür, den Tag der deutschen Einheit und sicherheitspolitische Seminare.

In der Anfrage vom 14.5. wird mit Verweis auf das Urteil von 1977 gleichermaßen festgehalten, dass die Bundeswehr „auch zukünftig für sich werben bzw. über sich informieren“ werde und Öffentlichkeitsarbeit „keine Werbung“ sei. Entsprechend gebe es auch „keine Kooperationsvereinbarungen mit Medien“. Die Rolle der Nachwuchswerbung wird nicht definiert.

Herausstechend ist jedoch eine Tabelle am Ende der Antwort: Sie führt insgesamt 39 Einträge zu PR-Beiträgen in Ton, Schrift und Bild, die 2013/14 von der Bundeswehr produziert und an „Kooperationspartner“ weitergegeben worden sind, bzw. weitergegeben werden. (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/016/1801631.pdf)

Beispiele: Beiträge für 600 Euro an „Schul / Abizeitungen“ in 2013 und für 12.500 Euro in 2014, drei PR-Interviews für je 600 Euro an TV Oberfranken, eine „Crossmediale Eventkooperation im Rahmen des Saarspektakels“ mit Radio Salü 2013 für 18´400 Euro. Radio Salü gibt die Bundeswehr tatsächlich auch als Sponsor an; die drei anderen Radios, die laut Bundesregierung PR-Beiträge erhalten haben, tun das nicht. Der Rundfunkstaatsvertrag (RStV), der die deutsche Medienlandschaft gesetzlich regelt, legt für Werbung jedoch fest: „Werbung und Teleshopping müssen als solche leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein.“ (§7 Abs.3 RStV). 

„extra Radio“ ist als ein Kooperationspartner gelistet. Es habe laut Regierung am 5.10. 2013 ein PR-Interview der Bundeswehr, das in der Tabelle der kleinen Anfrage mit 400 Euro beziffert wurde, erhalten. Gesendet wurde der Beitrag allem Anschein nach frühstmöglich im als „Sendung“ gekennzeichneten Format „Jobstudio“ am 9.11. 2013. Das Jobstudio ist eine Berufsberatung von „extra Radio“ in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit. Diese Kooperation wird vom Moderator auch mit Nachdruck angesprochen, ebenso wie die der Bundeswehr mit derselben Arbeitsagentur. Das Übernehmen eines PR-Beitrags kommt hingegen nicht zur Sprache. In einer Stellungnahme widerspricht „extra Radio“ einer entsprechenden Anfrage energisch. Geschäftsführerin Sabine Prokscha schreibt, „dass es sich um ein von uns eigenständig geführtes und produziertes Interview handelt“ und möchte die Tabelle von der Regierung „entsprechend richtigstellen lassen“. 

Besondere Beachtung benötigt zudem noch die Kooperation mit „Jump FM“ aus 2013 und 2014 für je 300 Euro im Rahmen des Musikevents „Jump on Tour“. Als Inhalt der Kooperation werden „Videospot, Beachflag“ (bedruckte Strandflagge) und das Event selbst genannt. Dabei ist Jump FM ein Teil des MDR, also öffentlich-rechtlich. Jump FM verkündete über die Geschäftsführerin Elke Jäger, dass nicht der Sender, sondern die „Brainstorming Künstler- und Eventagentur“ für die Werbung und Werbegelder verantwortlich sei. Auf Nachfrage erklärt Jäger, dass „Brainstorming“ das Event „Jump on tour“ inklusive der auftretenden Künstler kaufe und die Werbung selbst organisiere. Dabei sei es wichtig, auch öffentlich darzustellen, dass die Werbepartner nicht direkte Partner von MDR Jump sind. Der MDR müsse die Werbemittel aber freigeben. Weitere Aussagen konnte Jäger nicht machen. 

Die anderen öffentlich-rechtlichen Programme bleiben weniger auffällig. Rolf Clement, Chefredakteur beim „DeutschlandRadio“, meint: „Ursula von der Leyen hat bei der Berichterstattung den Interesse-Bonus einer Neuen und zusätzlich noch der ersten Frau im Verteidigungsministerium“ Und die neutrale „Hintergrunderklärung“ „Die ersten 100 Tage der Ursula von der Leyen“ vom 24.3.2014 von Klaus Remme enthält Sätze wie: „Scheitern? Bisher eher ein Fremdwort für Ursula von der Leyen“ oder „Sie hat offenbar einen Plan, überlässt wenig dem Zufall, […] ist bereit zu harten Entscheidungen und meldet sich jetzt nach 100 Amtstagen zur Krim-Krise selbstbewusst zu Wort“. Jedoch beruft Clement sich darauf, „in der Gesamttendenz fair“ mit dem Thema umgegangen zu sein und sagt nachdrücklich: „Ich habe niemals politischen Einfluss auf meine Arbeit als Abteilungsleiter oder Berichterstatter gespürt.“ Über den oben genannten Artikel hinaus gibt es auch tatsächlich keine relevanten Auffälligkeiten mehr.

Mit Blick auf die Gesamtlage der Medien meinte bereits 2008 Sandra Müller von der Initiative Fair Radio gegenüber der TAZ: „Beschiss ist an der Tagesordnung […] Einen PR-Beitrag eins zu eins zu senden, verstößt gegen die journalistische Sorgfaltspflicht. Bekommt ein Sender Geld für die Ausstrahlung, verstößt das auch noch gegen den Rundfunkstaatsvertrag.“ Derartige Verstöße seitens der Medien liegen der Faktenlage nach vor, wenn Betroffene wie „extra Radio“ ihnen auch widersprechen. PR-Beiträge gehen ihrer Definition nach auch über das pflichtmäßige Informieren der Öffentlichkeit hinaus. Stimmen die Vorwürfe, handeln das BMVg, die Bundeswehr und die betroffenen Medienvertreter damit eher nach Eigeninteressen als im Interesse des Gesetzes. 

 

 

über den Autor:
Lucas Blasius, geboren 1994, kam 2013 über ein Praktikum bei "Radio Control" in Palmerston, Neuseeland, zum Journalismus. Seit Oktober 2013 studiert er Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt. Dort ist er auch Chefredakteur des Studentensenders "Radio Pegasus".

 

 

 

 

 

 

 

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