Recherche-Journalismus & Photographie

 

Werkstatt Recherche mit Journalistik-StudentInnen 2014

 

"Gelenkter" Journalismus

 

Journalismus und PR stehen in einem unauflösbaren Spannungsfeld zueinander. Deshalb wählen Kritiker gerne scharfe Worte. Nichts anderes als "gelenkter" Journalismus komme dabei heraus.

 

Von Alena Eichler (© September 2014) 

„Schon der Anschein, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion könne beeinträchtigt werden, ist zu vermeiden.“, besagt der Pressekodex des deutschen Presserats, Ziffer 15. Weiter im Text heißt es: „Recherche und Berichterstattung dürfen durch die Annahme von Geschenken, Einladungen oder Rabatten nicht beeinflusst, behindert oder gar verhindert werden.“ Doch wann erkennt der Journalist, dass er selbst beeinflusst ist, wenn das doch immer nur die anderen sind?

Ob die Süßigkeiten vom ach so bösen Mann aus der Politik oder der Wirtschaft kommen, ändert nichts an der Tatsache, dass Journalisten widerstehen sollten. Aus Pflicht der Rolle gegenüber, die sie in der Gesellschaft spielen. Interessenskonflikte drohen Journalisten an jeder Ecke. Jeder einzelne denkt von sich, er selbst sei nicht beeinflussbar - im Gegensatz zu den anderen; das zeigt eine Studie von netzwerk recherche e.V.

Fälle gab es genug: Sei es der Ex-PR-Manager des Automobil-Konzerns Mazda, der im Prozess schuldig gesprochen wurde Gelder zur Bestechung von Journalisten veruntreut zu haben. Oder das ADAC-Magazin der Gelben Engel, das den VW Golf zum Lieblingsauto der Deutschen auserkoren hatte, ohne deren Wissen. Oder ein Journalist der „Zeit“, Jochen Bittner, der an dem Papier „Neue Macht, Neue Verantwortung“ der Stiftung für Wissenschaft und Politik und der German Marshall Fund mitgearbeitet hat. Und der es in seiner positiven Berichterstattung vorgezogen hat, vorerst darüber zu schweigen, statt die Karten offen auf den Tisch zu legen. In dem politischen Thesenpapier geht es um künftige deutsche Sicherheits- und Außenpolitik und die internationale Rolle, die Deutschland spiele. Die meisten Sätze beginnen mit „Deutschland muss…“ oder „Deutschland sollte…“. Bittner wird in diesem Papier unter der Überschrift „Teilnehmer und Teilnehmerinnen“ des „Projekts“ aufgeführt, dessen Inhalt "nicht notwendigerweise von allen Mitgliedern des Projekts geteilt" würden.

 

Inzwischen steht unter seinem Online-Artikel eine Anmerkung der Redaktion, die darauf hinweist. Doch die habe dem Medienkritiker und Journalisten Stefan Niggemeier zufolge über eineinhalb Monate auf sich warten lassen.

Seit die Medien ihren Scheinwerfer der Aufmerksamkeit auf diese Fälle geworfen haben, scheint es zunächst ruhiger geworden zu sein. Auch Boris Kartheuser, Investigativ-Journalist und Autor des Artikels über die Auto-Lobby in der Kurzstudie „Gefallen an Gefälligkeiten – Korruption im Journalismus“ von netzwerk recherche e.V. gibt zu, dass ihm aktuell keine neuen Fälle bekannt seien. Er berichtete über Journalistenreisen der Auto-Konzerne Mazda und VW. „Das ist viel weniger geworden.“, bestätigt auch der Journalist Jörg Eigendorf von der „Welt“. Er hatte den Fall aufgedeckt, in dem Journalisten im März 2011 vom Unternehmen Thyssen-Krupp auf eine Pressereise eingeladen wurden und anschließend ein paar nette Worte darüber zu Papier brachten. Ohne dabei zu erwähnen, dass der First-Class-Flug, das luxuriöse Hotel und das persönliche Taxi in Form eines Hubschraubers inklusive waren. „Wenn Journalisten über Pressereisen berichten, zu denen sie eingeladen wurden, machen sie diese Finanzierung kenntlich.“ - so heißt es im Pressekodex.

Journalismus & PR

Jeder kennt sie, jeder hat sie schon einmal gesehen: Seiten oder Abschnitte in Zeitschriften, nur durch eine Linie vom redaktionellen Teil getrennt, optisch aufbereitet wie ein Artikel. Texte, in denen Menschen zitiert werden, wie sehr ein Treppenlift ihr Leben verändert habe oder wie toll ein Pulver, gemanscht mit Wasser, beim Abnehmen geholfen habe. Gekennzeichnet mit dem Wörtchen „Anzeige“ darüber, in gefühlter Schriftgröße 8. Dass „Beauty-Empfehlungen“ in Frauenzeitschriften sich gerne mal mit den Anzeigenkunden decken, ist auch keine Seltenheit. Auf Nachfrage bei ebendiesen Zeitschriften sind das angeblich Produkte, die die Redakteure selbst benutzen und für wirksam halten. Verträge mit den Unternehmen der platzierten Produkte bestünden natürlich keine. Natürlich nicht. Mündliche Abmachungen wären nicht nachzuweisen und sind somit eine Grauzone. Die Vermischung von Journalismus und PR zu überprüfen ist schwer. Es fehlen die handfesten Beweise, wenn die Zeitschriften – wie einige Laufmagazine im vergangenen Jahr – sie nicht gleich selbst liefern und PR-Fotos als Titelbilder benutzen.

Solche Anzeigen in Zeitschriften seien eindeutig als Werbung erkennbar – so  argumentiert die PR-Seite. Ebenso wie die Zeitschriften, die Unternehmen herausgeben und Teil der Unternehmenskommunikation sind, sogenanntes „Corporate Publishing“. Zum Beispiel die Zeitschrift „db mobil“ von der Bahn oder „alverde“, vom Drogerie-Markt dm. Laut einer Studie von Statista, einem deutschen Online-Statistik-Portal, liegen die Investitionen für Corporate Publishing für 2014 in Deutschland, Österreich und der Schweiz bei knapp sechs Milliarden Euro. Damit ist der Betrag innerhalb von zwei Jahren fast um ein Viertel gewachsen. „Ich frage mich, warum geben die so viel Geld aus für so `ne Zeitschrift, wenn angeblich doch jeder Leser erkennt, dass es nicht glaubwürdig ist.“, sagt Thomas Schuler, Journalist, Autor und Vorstandsmitglied von netzwerk recherche e.V. „Ich wundere mich, warum da so eine große Diskussion stattfinden muss. Das könnte man ganz einfach beerdigen, indem endlich zugegeben wird: Das eine ist die PR-Kategorie, also gelenkte, autorisierte Information und das andere die nicht gelenkte – Journalismus.“, meint Schuler, „aber das wollen die allein ja schon nicht hören.“

Schuler erinnert sich an eine Podiumsdiskussion zum Thema Corporate Publishing mit Jan Spielhagen, dem damaligen Chefredakteur der „db mobil“. Danach haben beide Seiten die Texte dazu noch gegengelesen. „Der Spielhagen hat gedacht, er kann hinterher auch in meine Inhalte ´reinautorisieren´.“, erzählt Schuler. Also den Text für die Bahn noch schönen – bei einer Diskussion über PR und Journalismus.

Viele Journalisten üben parallel zum „reinen Journalismus“ auch PR-Aktivitäten aus, um wirtschaftlich überleben zu können. Anja Kühner ist Wirtschaftsjournalistin und trägt den Titel Fachjournalistin des Jahres 2014. Sie sieht die zweigleisige Arbeit unkritisch: „Bei allseits offener Kommunikation halte ich es nicht für schädlich, als Journalist auch für Unternehmen tätig zu sein.“, meint sie. Schuler sieht das anders, für ihn birgt das Zusammenspiel eine gefährliche Nähe: „Ich habe meine Bedenken, dass sich das so einfach trennen lässt, wie manche Leute das darstellen.“ Er ist der Meinung, dass bei Journalisten, die sich in der PR auf ein Themengebiet spezialisieren, auch im Journalirsmus die Themen dominieren, in denen sich der Journalist bereits auskennt. „Ich glaube, dass dann die gleichen Kontakte aus genau den gleichen Bereichen einerseits für PR und andererseits für Journalismus genutzt werden.“ Das bestätigt auch Kühner, dass sie Kontakte sowohl für PR als auch für ihre journalistische Tätigkeit nutzt, sie sieht es als einen Vorteil: Sie bekomme dadurch „schon mal vor der offiziellen Pressemitteilung mit, ob ein neuer Service oder ein neues Produkt angeboten wird.“

Was für sie wiederum Basis für einen neuen Trend-Artikel sein könne - dann im reinen Journalismus. „Gründlich recherchiert“ müsse der Artikel sein, sagt sie und dadurch dass „ich meine Quellen (…) erwähne, denke ich nicht, dass da meine journalistische Neutralität leidet.“ Zur Gefahr von Interessenskonflikten, sagt sie: „Wenn ich meine, dass mich eine Anfrage in eine Zwickmühle bringt, dann sage ich das klar - und lehne auch mal konkrete Aufträge ab.“

 

 

 

über die Autorin:                                    

 

Alena Eichler, geboren 1994, kam über

ein Praktikum beim Schauspieler-Magazin

"ca:st" zum Journalismus und studiert

seit 2013 Journalistik an der Katholischen

Universität Eichstätt.

kontakt: alena.eichler (att) t-online.de

 

 

 

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